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GANZTAGSSCHULE – Eine Gegenüberstellung

Die kostenlose Ganztagsbetreuung soll nach dem Willen unserer Landesregierung auch für Kinder im Grundschulalter folgen.

GANZTAGSBETREUUNG IM GRUNDSCHULATER

– Grundschule der Zukunft: Lebens- statt Lernort?

Kostenlose Ganztagsbetreuung ist Familienpolitik. Was für Kleinkinder bereits Realität wurde, soll nach dem Willen unserer Landesregierung auch für Kinder im schulpflichtigen Grundschulalter umgesetzt werden. Die Kinder sollen einen Großteil des Tages unter der Aufsicht und in der Verantwortung der Schule verbringen. Bis zu zehn Stunden werden sie sich täglich in einer staatlich organisierten „Bildungs- und Erziehungseinrichtung“ aufhalten.

Der Einfluss der „klassischen“ Familie auf die Erziehung der Kinder verringert sich und Lehrer, Sozialpädagogen und Erzieher („multiprofessionelle Teams“) übernehmen klassische Erziehungsaufgaben der Eltern. Es erwächst eine neue Form von Familie: Die Schul-Familie.

Was auf den ersten Blick überzeugend klingen mag, entpuppt sich schnell als Fiasko für die Gemeinden. Die niedersächsische Landesregierung forciert zwar die Umwandlung von Grundschulen in Ganztagsschulen, stellt aber die dringend benötigten Finanzmittel für eine Umsetzung nicht zur Verfügung.

So geht es auch der Samtgemeinde Jesteburg.

  • Die Räumlichkeiten beider Grundschulen entsprechen schon lange nicht mehr den Anforderungen an eine zeitgemäße Betreuung und Beschulung. Von einer Eignung für den Ganztag ganz zu schweigen.
  • Es ist derzeit unmöglich, in ausreichender Anzahl qualifiziertes Personal für einen erfolgreichen Ganztagesbetrieb zu bekommen.
  • Die Gemeinde droht auf den Kosten für notwendige Investitionen sitzenzubleiben. Andere kommunale Verpflichtungen können nicht mehr finanziert werden.
Das Jesteburger Modell

Die Gemeinderäte in Jesteburg, Bendestorf und Harmstorf sind überzeugt, dass die gesellschaftlichen Veränderungen auch in unseren Gemeinden zu einer erheblich steigenden Nachfrage von Ganztagesbetreuungsplätzen im Grundschulbereich führen werden. Statt eines individuell buchbaren, kostenpflichtigen Betreuungsangebotes an allen Schultagen soll Schritt für Schritt eine kostenlose und verbindliche Ganztagsbetreuung im Grundschulbereich umgesetzt werden.

Derzeit wird politisch über den benötigten Raumbedarf diskutiert. Er basiert auf Schulkonzepten (Phase Null), die mit externer Unterstützung erarbeitet wurden. Sie sind die verbindlichen Grundlagen für die weiteren Kostenschätzungen und spätere Ausschreibungen für eventuelle Erweiterungs- oder Neubauten.

Bisher bietet die Samtgemeinde zwei Grundschulstandorte in Bendestorf und Jesteburg. Diese „Verlässliche Grundschulen“ garantieren, dass die Kinder wochentags auf jeden Fall von 08:00 bis 13:00 Uhr zuverlässig betreut werden.

Zusätzlich können Eltern Betreuungszeiten an allen Wochentagen kostenpflichtig buchen. Diese Angebote sind nicht Teil der Unterrichtszeit und werden von „pädagogischen Mitarbeitern“ abgedeckt.

 JESTEBURGBENDESTORF
Frühbetreuung

(07:00-08:00 Uhr)

30 Plätze20 Plätze
Nachmittagsbetreuung

(13:00-17:00 Uhr)

90 Plätze40 Plätze (Fr. 30)

Fazit

Vormittags sind alle Grundschulkinder betreut. Wer zusätzliche Betreuung benötigt, kann diese kostenpflichtig buchen.

Was bieten unsere Grundschulen in Zukunft?

In der Ganztagsschule bietet die Schule an drei oder vier Wochentagen ein Betreuungsangebot von bis zu 8 Stunden täglich und damit eine Betreuung der Kinder, die weit über den verpflichtenden Unterricht hinausgeht. Das Angebot garantiert ein Mittagessen, Lern- und Übungszeiten, außerunterrichtliche Angebote
 und Zeiten zur freien Gestaltung. Die Ausgestaltung regelt das jeweilige Schulkonzept.

In der Umsetzung können freiwillige oder verpflichtende Varianten gewählt werden.

In einer „Offenen Ganztagsschule“ übernehmen die Schulen die Verantwortung für die Ausgestaltung des Nachmittagsprogrammes an drei Wochentagen. Die außerunterrichtlichen Betreuungsangebote sind kostenfrei. Sie können, müssen aber nicht auf dem Schulgelände stattfinden.

Die Nutzung des Angebotes ist freiwillig, jedoch verpflichtend für die Dauer eines Schul(halb)jahres nach entsprechender Anmeldung.

Es wird derzeit davon ausgegangen, dass das Ganztagsangebot mittelfristig von ungefähr 75% der Kinder wahrgenommen wird.

Fazit

Eltern werden bei den Betreuungskosten entlastet. An drei Wochentagen werden bis zu neun Betreuungsstunden kostenfrei angeboten. Eventuell notwendige Früh- und Spätbetreuungen und Betreuungen an den schulseitig nicht abgedeckten Wochentagen müssen von den Eltern weiterhin bezahlt und (samt)gemeindeseitig organisiert werden.

Die Gemeinderäte in Bendestorf, Harmstorf und Jesteburg haben ihre Absicht erklärt, in einem ersten Schritt das heutige Schulsystem durch diese Schulform abzulösen.

Daraus ergeben sich folgende Bedarfe für die beiden Grundschulstandorte:

  • Jesteburg: 4-zügig (16 Klassen) – max. 416 Schüler*innen – bis zu 312 Ganztagsplätze
  • Bendestorf: 2-zügig (8 Klassen) – max. 208 Schüler*innen – bis zu 156 Ganztagsplätze

Leider liegen bisher keine verbindlichen Aussagen der Gemeinderäte vor, ob die „offene Ganztagsschule“ das Ziel oder nur ein Zwischenschritt zu einer gebundenen (also für alle verpflichtenden) Ganztagsschule sein soll.  Die Ratsmitglieder von SPD, CDU und Grünen haben im Schulausschuss erklärt, dass sie davon ausgehen, dass die Ganztagsschulen längerfristig als verbindliches Bildungsangebot (teilgebundene oder gebundene Ganztagsschule) weitere Veränderungen im Schulbereich nach sich ziehen werden.

Ist der eingeschlagene Weg „alternativlos“?

In welchem Umfang die Eltern in den Mitgliedsgemeinden tatsächlich auf eine kostenfreie Ganztagsbetreuung angewiesen sind, ist nicht abschließend geklärt. Die 2015 durchgeführte Elternbefragung hat durch erlaubte Mehrfachnennungen keine Aussagekraft.

Es ist unstrittig, dass die Räumlichkeiten der Grundschulen in die Jahre gekommen sind. Sie entsprechen nicht mehr den Anforderungen an zeitgemäße Unterrichts- und Betreuungsformen. Deshalb muss die Samtgemeinde handeln und die Räumlichkeiten dringend modernisieren, um auch zukünftig ein gutes Bildungs- und Arbeitsumfeld bieten zu können.

  • Die Räumlichkeiten müssen variabel nutzbar („Multifunktionsräume“) sein und Unterricht im Klassenverband, in Kleingruppen und individuelles Lernen ermöglichen.
  • Die Ausstattung muss technische Neuerungen (z.B. „Smartboard“, Zugang zum Internet) berücksichtigen.
  • Die Pausenflächen müssen dem Bewegungsansprüchen der Kinder gerecht werden.
  • Für Lehrkräfte, Sozialpädagogen und Erzieher müssen Räumlichkeiten zur Verfügung stehen, um ihre zusätzlichen Aufgaben außerhalb des Unterrichtes (z.B. Teambesprechungen, Elterngespräche, Konferenzen) erfüllen zu können.

Alle darüber hinaus gehenden Investitionen bedürfen einer Abwägung. Inklusive und individualisierte Unterrichtsformen erfordern einen erheblichen Umbau des Schulbetriebes. Leider scheitern die Umsetzungen häufig an dem mangelnden Willen, für gute Bildung tatsächlich auch ausreichend Geld und Personal zur Verfügung zu stellen. Deshalb muss immer geklärt werden, warum die Gemeinde Aufgaben übernehmen soll und ob die Aufgabe finanzierbar ist. Nicht immer kann alles auf einmal umgesetzt werden und nicht immer bewähren sich neue Konzepte langfristig.

Hamburg ist ein „gutes“ Beispiel für eine völlig übereilte Einführung des Ganztagschulbetriebes in den Grundschulen im Sparmodus. Lehrkräfte, Eltern und Schulkinder sind die Leidtragenden.

Bevor die Grundschulen in Bendestorf und Jesteburg in die gleiche Situation schlittern, müssen folgende Fragen geklärt werden:

  • Was leistet das aktuelle Schulmodell in nicht ausreichendem Maße, so dass Investitionen von 16-20 Millionen gerechtfertigt sind?
  • Warum müssen die außerunterrichtlichen Aktivitäten (samt)gemeindeseitig gestaltet werden? Diese Aufgaben könnten z.B. auch vollständig durch enge Kooperationen mit Vereinen und anderen Trägern umgesetzt werden.

Für uns reichen die bisher vorliegenden Informationen nicht aus, um die noch im vorherigen Gemeinderat getroffenen Entscheidungen nachvollziehen und mittragen zu können. Vielmehr drängt sich uns der Verdacht auf, dass ein landespolitisch gewolltes und in vielen Ballungsgebieten sicherlich notwendiges Betreuungskonzept ohne ausreichende Analyse der Folgen in unserer Samtgemeinde umgesetzt werden soll. Lediglich das Argument, die gemeindeseitigen Kosten des pädagogischen Mittagstisches würden bei einer Ganztagsschule wegfallen, kann nicht die Grundlage für veränderte Bildungskonzepte in unserer Samtgemeinde sein.

Baukosten explodieren

Der notwendige Investitionsaufwand ist noch unklar. Wurden verwaltungsseitig 2016 noch gut fünf Millionen Euro für mögliche Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen an den beiden Grundschulen aufgerufen, so werden aktuell Zahlen zwischen 16 und 20 Millionen Euro (plus 400%) gehandelt.

Eigentlich ist allen Beteiligten klar, dass dieses Volumen von der Samtgemeinde nicht ohne zusätzliche Finanzmittel aus den Mitgliedsgemeinden gestemmt werden kann. Zumindest nicht ohne Steuererhöhungen. Leider scheint bei einigen Ratsmitgliedern eine gewisse Angst vor den Bürgern aufzuflammen und der Wunsch, lieber ein Projekt im Sparmodus umzusetzen, als den Wähler zu verärgern. Diskussionen über abgespeckte Raumkonzepte (also kleinere und weniger Räumlichkeiten) sollen die Kosten drücken. Für uns ist das keine Alternative, denn sie würde vor allem zu Lasten der Kinder und Mitarbeiter gehen.

Gute Bildung braucht auch gute Räume. Sollte das Konzept „offene Ganztagsschule“ weiterhin mehrheitsfähig bleiben, dann muss die Politik den Bürgern deutlich machen, dass „mehr Betreuung“ durch die Gemeinschaft auch „mehr Geld“ von den Bürgern bedeutet.

Sollte es dafür keinen deutlichen Konsens in der Bevölkerung geben, dann kann dieses Konzept in Jesteburg nicht verantwortungsbewusst umgesetzt werden.

Weitere Informationen zu den Beratungsergebnissen im Schulausschuss haben wir für Sie im folgenden Beitrag zusammengefasst

BILDUNG ALS SPARPROGRAMM
– Der Schulausschuss glaubt nicht an seine Überzeugungskraft –