WIEVIEL UND WELCHES GEWERBE BRAUCHT JESTEBURG?
– Die Anforderungen und Bedarfe sind weiterhin unklar
Die Funktionstüchtigkeit von Gewerbegebieten ist für die wirtschaftliche Entwicklung ansässiger Unternehmen und die Gemeinde von zentraler Bedeutung. Sie sollen Unternehmen Wettbewerbsvorteile bieten, Arbeitsplätze vor Ort schaffen bzw. sichern und über die Gewerbesteuereinnahmen zur Finanzierung des Gemeindehaushaltes beitragen. In der Gemeinde Jesteburg beliefen sich 2022 die Gewerbesteuereinnahmen auf ca. 2,5 Millionen Euro und stellten somit ca. ¼ der Steuereinnahmen sicher.
Im Rahmen leerer Kassen gerät das Thema wieder verstärkt in den Blick. Es stellt sich die Frage, ob mit der Ausweisung zusätzlicher Gewerbefläche das Haushaltsdefizit erheblich reduziert werden kann. Und wie so oft lautet auch hier die Antwort „Jein“.

Mehr Gewerbeflächen können helfen, zusätzliche Gewerbesteuereinnahmen zu generieren, wenn die Geschäfte gut laufen. Schwächelt der Markt, sinken die Gewinne und damit auch die Gewerbesteuereinnahmen. Gleichzeitig fordern Bund und Land, dass zusätzliche Flächenversiegelungen stark eingeschränkt werden sollen.
Statt wie früher einfach ein neues Gewerbegebiet in Ortsrandlage aus dem Boden zu stampfen, ist ein Umdenken für die Ausweisung neuer Bauvorhaben notwendig. Bei der Entwicklung von Gewerbegebieten muss vor allem auf einen sorgsamen und effizienten Umgang mit vorhandenen Ressourcen (Nutzung erneuerbarer Energien, sparsamer Flächenverbrauch) geachtet werden. Für nachhaltige und zukunftsfähige Gewerbegebiete gelten deshalb dieselben Zielsetzungen wie zum Beispiel für die Schaffung von nachhaltigem Wohnraum: Sie müssen wirtschaftlich tragfähig, ökologisch verträglich und unter sozialen Aspekten weiterentwickelt werden.
Fokussierung auf Bestandsgebiete – Entwicklungspotenziale nutzen
Neue Gewerbegebiete machen nur dann Sinn, wenn sie gegenüber den Gewerbegebieten umliegender Kommunen Wettbewerbsvorteile bieten. Deshalb muss sich die Gemeinde überlegen, welche Standortvorteile sie bieten kann bzw. will.
- Liegt das Jesteburger Gewerbegebiet besonders verkehrsgünstig (gute Erreichbarkeit für Arbeitnehmer, Kunden und Lieferanten)?
- Bietet das Jesteburger Gewerbegebiet eine klare branchenmäßige Ausrichtung, so dass sowohl die ortsansässigen Gewerbetreibenden als auch neue Unternehmen von einer Zusammenarbeit profitieren können?
- Bietet die Gemeinde Jesteburg besondere Förder- und/oder Steuervorteile?
Leider kann aus unserer Sicht Jesteburg auf keine dieser Fragen eine positive Antwort geben.
Deshalb wollen wir zunächst das Jesteburger Gewerbegebiet „Allerbeeksring“ kontinuierlich weiterentwickeln. Die Ausnutzung der bestehenden Flächen (z.B. durch eine dichtere Bebaubarkeit) bietet erhebliches Potential, um ortsansässigen Unternehmen zukunftssichere Perspektiven aufzeigen zu können.
Ergänzend haben wir uns dafür eingesetzt, dass Jesteburg „Urbane Gebiete“ entwickelt, die sowohl Gewerbeimmobilien als auch Wohnungen bieten, statt Mono-Gewerbegebiete für eher flächenintensive Unternehmen auf der grünen Wiese auszuweisen.
Die Flächen „Hinter der Bahn“ („Sandbarg-Flächen“) und das ehemalige Reitplatzgelände bieten sich für diese Flächenentwicklungen an. Auf beiden Arealen sollen neue Quartiere entstehen, in denen sich Wohnen und Arbeiten miteinander verzahnen. Die dafür angedachten Flächen werden viel Platz für zukunftsfähige Büro-, Praxis- und, Einzelhandelsflächen bieten und auch attraktiv für neue Arbeitsplatzmodelle (Stichwort „working spaces“) und Unternehmensgründer sein.
Die Ratsmehrheit folgte diesem Ansatz und beide Flächen sollen in den kommenden Jahren schrittweise erschlossen werden. Zusätzlich beschloss der Gemeinderat, dass ein Kriterienkatalog entwickelt werden soll, mit dem der Bedarf und die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Gewerbeansiedlung ermittelt werden kann.
Ende 2020 stellte die UWG eine offizielle Anfrage an die Verwaltung:
Im Rahmen der Beratungen über die Erweiterung des Gewerbegebietes „Am Allerbeek“ wird verwaltungsseitig immer wieder auf die Notwendigkeit von zusätzlichen Gewerbeflächen für ortsansässige Gewerbetreibende hingewiesen. In diesem Zusammenhang bitten wir um Beantwortung folgender Fragen:
- Wie hat die Verwaltung den Bedarf ermittelt?
- Welcher Betrachtungszeitraum wurde für die Bedarfsermittlung zugrunde gelegt?
- Welcher Flächenbedarf wurde ermittelt?
- Welche Gewerbearten haben zusätzlichen Bedarf erkennen lassen?
- Welche konkreten Anfragen nach zusätzlichen Gewerbeflächen liegen der Verwaltung vor?
- Welche konkreten Anfragen nach zusätzlichen Gewerbeflächen mussten verwaltungsseitig seit 2016 abschlägig beschieden werden?
Die Verwaltung empfiehlt außerdem die Ausweisung von Gewerbeflächen für die Neuansiedlung von Gewerbetreibenden.
- Welche grundlegenden Erkenntnisse liegen der Verwaltung über den Bedarf für den Standort Jesteburg vor?
- Welche konkreten Anfragen für mögliche Neuansiedlungen liegen der Verwaltung vor?
- Welche Markt-/Wettbewerbsbedingungen (z.B. Kosten für Bauland/qm, Flächengröße, Verkehrsanbindung) sind gemeindeseitig bekannt?
Antworten der Verwaltung:
Die Verwaltung verwies darauf, dass die Informationen aktuell in der angefragten Form nicht vorlägen und aufgrund von Personalengpässen die Fragen nicht zeitnah ausführlich beantwortet werden könnten. Im Mai 2021 teilte die Verwaltung folgenden vorliegenden Bedarf an zusätzlichen Gewerbeflächen mit. Gleichzeitig wiers sie aber auch darauf hin, dass sie keine Aussage treffen könne, ob diese Bedarfe noch aktuell seien:
- Büro und Werkstatt für einen Handwerksbetrieb – ca. 1.500 qm
- Büro und Werkstatt für einen Handwerksbetrieb – genauer Flächenbedarf nicht spezifiziert
- Halle mit Einliegerwohnung für einenGutachter – ca. 200 qm
- Büro- und Produktionsfläche – ca. 6-7.000 qm
- Fachmarktfläche – ca. 800-2.000 qm
- Rechenzentrum – ca. 30.000 qm
